Werner bat mich, eine Geschichte der JOYCE' zu schreiben. Ich halte das für ziemlich schwierig, zum einen, weil mir nicht alle Begebenheiten bekannt sind (und mir auch die Zeit zur nötigen Recherche fehlt) und zum andern, weil das Ergebnis ziemlich persönlich gefärbt sein muss. Deshalb kann ich nur eine lockere Folge von Beiträgen liefern, die überwiegend meine subjektiven Eindrücke und Meinungen enthalten. Wenn also Daten falsch sind oder Hinweise fehlen, so seid ihr hiermit zu korrigierenden Beiträgen aufgefordert... Am 1.7.1984 schlossen Alan Malcom Sugar Trading (= Amstrad) und Albert und Bernhard Schneider (= Schneider Rundfunkwerke in Türkheim) einen Vertrag: Amstrad lässt in Korea die Heimcomputer CPC464 (= Colour Personal Computer mit 64 KB) bauen, und Schneider verkauft diese Produkte als Distributor in Deutschland. An sich war das keine schlechte Idee, denn Schneider belieferte viele Händler mit brauner Ware (= Radios, HiFi und Fernsehen), von denen sich so manche mit dem Computergeschäft ein zweites Standbein aufbauen wollten. Der CPC464 wurde in Deutschland auf der Düsseldorfer Messe HiFi&Video erstmals 1984 vorgestellt und schlug mit seinem guten Preis-/Leistungsverhältnis wie eine Bombe ein. Er war als Komplettsystem billiger als der Brotkasten' C64 von Commodore und konnte mit seinem hervorragenden BASIC von Locomotive mit den MSX-Computern (= Microsoft Extended BASIC) mithalten. Noch im Jahr 1984 verkauft Schneider über 40.000 Exemplare, und der CPC464 kommt in der CHIP-Bestsellerliste gleich auf den zweiten Platz. Da die KäuferInnen aber immer mehr die Kassetten durch Disketten ersetzen wollen, sucht Amstrad nach einer billigen Möglichkeit und entscheidet sich schließlich für das schon damals ziemlich exotische 3-Zoll-Format. Anfangs bis Mitte der 80-er waren folgende Diskettenformate im Einsatz: die Riesen-8-Zoll-Floppies (z. B. bei den Mainframe-Kisten und den Olivetti-Bürocomputern, aber auch bei den ersten IBM-PCs) und die 5,25-Zoll-Scheibe, die gar Mini-Floppy genannt wurde. Diese Disketten steckten leider in einer wabbligen Papierhülle und waren dementsprechend empfindlich. Zu dieser Zeit wurden in den Labors zwei Nachfolgesysteme entwickelt: einmal die 3,5 Zoll-Diskette (wie sie dann bei den Apples eingesetzt wurde) und die 3-Zoll-Diskette, die eine Zeitlang auch von Canon favorisiert wurde. Bei beiden Systemen wurde der mechanische Schutz verbessert, indem die Papierhülle durch Hartplastik ersetzt wurde. Außerdem wurde der Shutter' eingeführt, der erst beim Einlegen der Diskette das Loch für den Schreiblesekopf freigibt und zusätzlich noch eine Filzscheibe über die Oberfläche wischt und somit bei jedem Einlegen die Oberfläche reinigt. Wieso sich Amstrad nun für das 3-Zoll-Format entschieden hat und gegen den künftigen Trend, darüber kursieren verschiedene Gerüchte. Die einen berichten vom Kauf einer spottbilligen Konkursmasse bestehend aus 3-Zoll-Laufwerken, andere schreiben diese Entscheidung der britischen Vorliebe für Außenseiter zu... Das damals übliche 5,25-Zoll-Format kam aber überhaupt nicht in Frage, weil ja die CPCs meist in Kinder- und Jugendzimmern standen; und da geht es etwas rauher zu. Im Juni 1985 wird in Köln der CPC664 vorgestellt, der anders als der 464 ein 3-Zoll-Laufwerk integriert hat. Und schließlich wird im August 1985 in Chicago der CPC6128 (= 128 KB) präsentiert, der dann schon einen Monat später auch in Deutschland zu haben ist. Der 6128-CPC läuft zwar auch wie die anderen CPCs mit einem Z80A-Prozessor, aber er besitzt doppelte Speicherkapazität und auf ihm läuft neben dem integrierten BASIC das CP/M Plus. Damit wird dieser CPC auch für kleine Betriebe interessant' (HC 11/85). Im Herbst tischt Amstrad eine weitere Überraschung auf: den PCW 8256. PCW steht für Personal Computer for Word Processing, 8 für die achte Computerreihe und 256 für 256 KB Speicher. Amstrad bietet damit eine Alternative zu den damals um den Faktor 10 und mehr teueren Textsystemen an (z. B. die PCW-Systeme von Minolta). Die ersten PCWs wurden in Deutschland für etwas über 2.000 DM angeboten, und sie gingen weg wie warme Semmeln. Das hatte auch seine guten Gründe: Der PCW war ein Komplettsystem, nach dem Auspacken konnten die KäuferInnen gleich loslegen. Außerdem war ziemlich viel Software beigepackt: Neben dem Textprogramm LocoScript gab es eine komplette Version des CP/M Plus, also anders als beim C128 von Commodore, wo einige CP/M-Teile nachgekauft werden mussten. Und auch die Grundausstattung an Programmierspachen war nicht von schlechten Eltern: die beiden Original Makro-Assembler MAC und RMAC von Digital Research (DR) für die Assembler-Freaks, das mächtige Mallard-BASIC von Locomotive und Logo (ebenfalls von DR), das ja ein Jahr zuvor von der deutschen Fachpresse zur Software des Jahres 1984' gekürt worden war. Die Entscheidung, nicht das damals übliche BASIC von Microsoft, sondern das britische Pendant zu nehmen, war durchaus richtig. Mallard-BASIC versteht alle Befehle des Microsoft-BASIC, ist aber viel schneller und kann zusätzlich mit ISAM-Dateien arbeiten, was ja für das Microsoft-Produkt nicht möglich war. Auch die Hardware konnte sich sehen lassen: Wie bei den CPCs wurde als Prozessor ein mit 4 MHz getakteter Z80A verwendet. Der grüne Bildschirm bot mit seinen 720 waagrechten und 256 senkrechten Bildpunkten eine hohe Auflösung, die fast an die der damals bei den IBM-PCs hoch gelobten Hercules-Karte (720 / 348 Pixel) kam, und war damit viel besser als die MDA-Bildschirme (= Monochrome Display Adapter), die bei den anfänglichen IBM- PCs zu finden waren. Kurzum, obwohl der PCW viel billiger als einer der ersten IBM- PCs war, hatte er eine viel höhere Bildschirmauflösung. Und noch einen Vorteil gab es gegenüber den ersten IBM-PCs, wenn sie nur mit Diskettenlaufwerken ausgestattet waren (und das waren angesichts der damals hohen Preise für Festplatten nicht wenige): Auch wenn beim IBM-PC der Intel 8088 mit 4,7 MHz taktete, war die Joyce bisweilen dennoch schneller. Grund: Schon bei der kleinen Joyce war die RAM-Floppy schon 116 KB groß. Beim PC- DOS und MS-DOS war es damals nicht so einfach, eine derart große RAM-Floppy zu führen... Auch in Sachen Bildschirmbreite hatte Amstrad Mut: Während sich damals viele Computerhersteller an 80 Spalten pro Zeile hielten, bot die Joyce schon von Anfang an 90 Zeichen pro Zeile. Diese 80 Spalten sind übrigens ein Relikt aus der Lochkartenzeit, als die meisten Lochkarten eben exakt 80 Spalten hatten. Übrigens, die Größe der Lochkarten hat mit dem Dollarschein zu tun. Als nämlich Herman Hollerith für die Volkszählung von 1890 in den USA erstmalig Lochkarten einsetzte, wählte er als Größe für diese Karten eben einen Dollarschein... Als Drucker wurde ein abgeschnittener' SP800 von Seikosha verwendet, also ein schon damals als solide bekannter 9-Nadel-Drucker. Insgesamt waren die ersten Joycies angesichts des sonstigen Angebotes ein richtiges Schnäppchen. Die PCWs wurden in England und Deutschland unterschiedlich beworben: während die Briten den PCW als Personal Computer verkauften, mit dem auch Textverarbeitung gemacht werden konnte, pries Schneider die Joycies als reine Schreibsysteme an. Dass die PCWs vollwertige CP/M-Computer sind, wurde den deutschen Käufermassen verschwiegen. Die Meinung über das neue Textprogramm LocoScript waren zunächst geteilt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Mitte der 80-er Pulldown-Menüs außerhalb der Amiga-, Apple- und Ataria-Welt noch nicht üblich waren, sondern der Einsatz der Funktionstasten und simple Nummern-Menüs waren schon das Nonplusultra in den Augen vieler Rezensenten. WordStar war der damalige Vergleichsstandard für Textverarbeitung. Aber die vielen PCW-KäuferIn- nen scherten sich nicht um diese Kritik der Fachpresse, sondern waren einfach froh, unkompliziert mit einem Computer arbeiten zu können. Gleichwohl gab es auch einige berechtigte Kritikpunkte: Das anfangs ausgelieferte LocoScript 1.1 beliebte abzustürzen, wenn lange Textpassagen gelöscht wurden. Auch war die Ausgabe der Texte als Dateien im ASCII-Format nicht möglich. Von den professionellen SchreiberInnen wurde die Möglichkeit des MailMerge vermisst, also z.B. die Erstellung von personalisierten Briefen. Einige waren auch mit der Qualität des integrierten 9-Nadlers nicht zufrieden und wollten hochwertige Drucker anschließen. Das ging aber nicht so ohne weiteres. Dann wünschten manche auch mehr Arbeitsspeicher und ein zweites Laufwerk. Kaum waren die ersten Joycies verkauft, wurden sie auch schon von einigen Spezialisten zerlegt und bald gab es Hinweise, wie ein zweites Laufwerk angeschlossen oder wie der Speicher einfach und billig erweitert werden konnte. Ein weiterer Schwachpunkt war die mangelnde Kompatibilität zwischen den CPCs und den Joycies. Das fing schon mit dem Diskettenformat an: die PCWs konnten anstandslos die an den CPCs im DATA-Format beschriebenen Disketten lesen, aber umgekehrt schaffte der CPC bei einer auf der Joyce beschriebenen Diskette nur die Ausgabe des Inhaltsverzeichnisses. Da waren natürlich die Spezialisten gefragt. In Deutschland gab es ja schon einige Zeitschriften, die sich speziell den CPCs gewidmet haben. Die druckten dann einfach noch Joyce' auf ihre Titelseite und meinten, das wäre es dann. Aber diese Blättchen wie Schneider Aktiv' oder Schneider Magazin' konnten sich nicht lange halten. Einzig die CPC International' aus dem DMV-Verlag hielt neben den CPCs auch den Joycies über fünf Jahre die Treue. Aber auch die c't aus dem Heise-Verlag war sich in den späten 80-ern nicht zu fein, über die PCWs zu berichten. So wurde ja von Anfang an die Grafik-Software GSX (= Graphical Systems Extension) mitgeliefert. Aber wer zu diesem Thema in das deutsche Handbuch blickte, fand nur eine Grafik mit Karls Taschengeld' - was gewiss viele ins Grübeln brachte. Wer dazu bei Schneider anfragte, bekam kaum ausreichende Auskünfte oder wurde auf die kommende CeBIT'86 verwiesen, aber das ist dann ein Thema der nächsten Folge... Schneiders Einstieg in die Welt der Personal Computer
DangSoft, Auszug aus der Klubzeitung #49 der JOYCE-User-AG !
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