DTP

Typographisches Allerlei

Wer sein neu erworbenes MicroDesign3 auspackt, ist gewiß über die dutzendweise mitgelieferten Schriften erstaunt. Da ist es vielleicht angebracht, etwas Ordnung in diese Vielfalt zu bringen.

Dabei kann uns die Deutsche Industrienorm DIN 16518 unterstützen, bei der die gebräuchlichen Schriften in elf Gruppen eingeteilt werden:

1. Venezianische Renaissance-Antiqua

Hier finden wir Schriften, die auf die im 15. Jahrhundert gebräuchlichen Minuskelschriften zurückgehen, die mit einer Breitfeder erstellt wurden; deshalb sind die Anstriche bei den kleinen Buchstaben immer schräg. Die Strichdicken unterscheiden sich kaum. Ein Vertreter dieser Gattung ist die Stempel Schneidler  eine traditionelle Schrift, die sich für alle Druckerzeugnisse gleichgut eignet.

2. Französische Renaissance-Antiqua

Die hier eingesetzten Stile gehen auf französische Schriften des 16. Jahrhunderts zurück. Besondere Kennzeichen sind das kleine Auge beim e und der kleine Bauch beim a. Die Strichdicken unterscheiden sich stärker als bei der venezianischen Antiqua. Ein typisches Beispiel ist die Garamond, die mit ihrem zarten und behutsamen Ausdruck sich besonders für Bücher und seriöse Gutachten und Geschäftsberichte eignet. Für Visitenkarten und Einladungen sollte sie lieber nicht verwendet werden.

Eine weitere Schrift für diese Stilrichtung ist die Times, die 1932 von der Firma Monotype für die Zeitung Times entworfen und geschnitten wurde. Bei der MD3-Grundausstattung heißt die Times aus urheberrechtlichen Gründen Stan. Die Times ist sehr gut lesbar und eignet sich besonders für Zeitschriften, aber auch für Bücher.

3. Barock-Antiqua

Die hier verwendeten Stile stammen aus dem 18. Jahrhundert; die Strichstärken unterscheiden sich noch stärker als bei den anderen Antiqua-Schriften. Ein besonders schönes Beispiel für diese Schriften ist die Baskerville, die bei MD3 John heißt. Sie ist etwas üppig-barock, aber auch elegant. Sie eignet sich besonders gut für festliche Einladungen und repräsentative Gutachten und Geschäftsberichte.

4. Klassizistische Antiqua

Die Stilelemente dieser Schriftgruppe entstanden Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie sind mit ihren besonders feinen und zierlichen Serifen ruhiger als die anderen Antiqua-Schriften. Typische Beispiele sind die New Century Schoolbook und die Bookman; erstere ist zwar sehr brav und bieder, dafür aber sehr gut lesbar und wird deshalb für Fach- und Schulbücher gern verwendet. Die Bookman ist kräftiger, ebenfalls sehr gut lesbar, eignet sich aber nicht nur für Bücher aller Art, sondern auch für festliche Einladungen. In der MD3-Grundausstattung sind diese Schriften leider nicht enthalten.

5. Serifen-betonte Linear-Antiqua

Während die ersten vier Gruppen nach Stilepochen geordnet sind, werden die restlichen Gruppen nach ihren Fontmerkmalen unterschieden. Bei der fünften Gruppe sind die Serifen besonders ausgeprägt und groß, ihre Strichstärke entspricht dem Grundstrich. Beispiele sind die Egyptian (von Monotype), die sich ganz besonders für Einladungen und Speisekarten eignet, und die Rockwell mit sehr kräftigen Serifen; sie ist für Betriebsanleitungen, Visitenkarten und sehr gut für Vortragsfolien geeignet. In der MD3-Grundausstattung sind solche Schriften nicht enthalten.

6. Serifenlose Linear-Antiqua

Diese Schriften besitzen überhaupt keine Serifen und werden auch Grotesk oder Sans Serif genannt. Die bekannteste Schrift dieser Art ist wohl die Helvetica  etwas strenger als die Times. Die Helvetica stammt von der Schriftgießerei Haas und kam 1958 auf den Markt. Sie ist eine fast für alle Zwecke geeignete Grundschrift und läßt sich ohne Bedenken mit der Times kombinieren. Bei MD3 heißt diese Schrift Frank und Guardian; letztere entspricht einer extra-fetten Helvetica und wird von der britischen Zeitung Guardian eingesetzt.

Eine weitere Schrift dieser Gruppe ist die Futura, die bei MD3 Paul heißt. Die Buchstaben o und O sind hier fast richtige Kreise. Diese funktional-sachliche Schrift eignet sich für fast alle Zwecke, nur für festliche Einladungen ist sie nicht brauchbar, aber sehr gut für Visitenkarten und Folien.

7. Antiqua-Varianten

In diese Gruppe steckt man alle Schriften, die nicht in die ersten sechs Gruppen passen. Wir finden hier besonders viele Zierschriften wie z. B. die Arnold Böcklin, eine romantisch-verspielte Jugendstilschrift, mit der edle Einladungen gestaltet werden können; in der MD3-Grundausstattung fehlt diese schöne Schrift leider. Dafür werden wir aber mit der besonders fetten Familie Bolden entschädigt. Außerdem gibt es für Plakate und Poster die übergroßen Familien Athos, Lythos und Monogramm.

8. Schreibschriften

Diese Schriften tragen meistens die Bezeichnung Script oder so. Beispiele sind die zierliche, verspielte und nur für private Zwecke geeignete Englische Schreibschrift und die würdig-konservative Zapf Chancery, mit der ganz tolle Urkunden gedruckt werden können. Bei der MD3-Erstausstattung fehlen solche Schriften. Schreibschriften sind oft schlecht lesbar, sie eignen sich deshalb kaum für größere Artikel, sondern eher für Einladungen, Geburtsanzeigen und vielleicht auch für Speisekarten.

9. Handschriftliche Antiqua

Das sind Antiqua-Schriften, die zu einer Schreibschrift verändert wurden, z. B. die Time Script, die aussieht, als hätte jemand mit dem Kugelschreiber Druckbuchstaben gemalt. Solche Schriften eignen sich wegen der schlechten Lesbarkeit nur für Sonderfälle.

10. Gebrochene Schriften

Sie werden auch Frakturschriften genannt und gehen auf die gotische Schrift zurück. Vor fünfzig Jahren wurden noch die meisten Luther-Bibeln und protestantischen Gesangsbücher damit gedruckt. Heute haben die meisten Leute beim Lesen solcher Schriften Schwierigkeiten. Fraktur läßt sich aber in homöopathischen Dosen für zentrierte Titel einsetzen. Wer längere Texte damit gestalten will, sollte auf die Tips achten, die seinerzeit Lothar veröffentlicht hat!

11. Fremde Schriften

Das sind Schriften, die nicht für lateinische, sondern ausländische Texte entworfen sind, z. B. die Hebrew Hehen oder Cyrillic Timeless (beide von URW). Bei MD3 sind in der Grundausstattung solche Schriften nicht enthalten. Dazu habe ich gleich eine Frage an die MD3-ExpertInnen unter uns: Welche Schriftfamilien gibt es sonst noch?

Bei MD3 sind noch zwei Schriftfamilien in der Grundausstattung enthalten, die sich für Sonderzwecke eignen: Die Typ-Schriften entsprechen der Courier und sehen wie bei einer Schreibmaschine oder einem (nicht-proportionalen) Typenraddrucker aus. Sie eignen sich weniger für Artikeltexte, sondern sehr gut für Programmlistings.

Da ja MD3 das DIN A4-Papier auch quer drucken kann, lassen sich damit auch Listen mit besonders langen Zeilen endlich ausgeben. Wer dBASE einsetzt, kennt sicher das Problem mit solchen Bandwurmzeilen...

Eine weitere Spezialschrift bei MD3 ist die Symbol, die all die vielen Symbole enthält. Dazu noch eine Anmerkung: Bei den Apple- und Unix-Rechnern heißt diese Schriftfamilie Zapf Dingbats (entworfen von Professor Hermann Zapf). Symbol gibt es dort auch, sie enthält aber dann die griechischen Buchstaben und einige mathematische Zeichen.

Die beruflichen Typographen unter euch (Hi, Lothar!) mögen meine für sie laienhafte Darstellung entschuldigen, ich habe mir halt nur einiges angelesen und ausprobiert...

DangSoft


Abgedruckt in Klubzeitung Nr. 43