Texte optimal gestalten - Teil 2 Über die Resonanz auf meinen ersten Beitrag war ich etwas überrascht. Eigentlich war er nur als Füller gedacht, falls Werner und Richard mal der Stoff ausgehen sollte. (Aber damit ist ja in nächster Zeit glücklicherweise nicht zu rechnen.) Auf mehrfache Anregung will ich deshalb hiermit meinen letzten Beitrag fortsetzen und hoffe, daß er nicht allzu belehrend ausfällt.
Schriften
Auswahl der Schriftfamilie Verschiedene Schriften können durchaus in einem Text vorkommen. Sie sollten sich jedoch im Bild hinreichend unterscheiden. Gern setzt man Überschriften aus einer anderen Schrift. Eine kurze Erläuterung: Ein großes I stellt man sich als senkrechten Strich vor. Oben und unten sind da aber noch kleine Querstriche oder Winkel, die bei fast keinem Großbuchstaben fehlen. Man nennt sie Serifen. Dagegen gibt es auch serifenlose Schriften, Beispiel: Sans serif (Name aus dem Französischen, "ohne Serife"). Solche können mit anderen meist gut kombiniert werden, wobei die sachlicher wirkende Serifenlose die Grundschrift sein sollte.
Auswahl der Schriftschnitte Aber, keine Regel ohne Ausnahme: "Old English" oder andere gebrochene Schriften dürfen nur in Grundschrift gesetzt werden, selbst wenn der Computer kursiv, fett usw. auch unterstützt. Dieses Verbot hat historische Gründe. Manche Zierschriften dagegen sollten in der Grundschrift kursiv gehalten sein.
Ein Wort noch zur Old English: Hände weg davon, wenn man sich nicht
das lange s zusätzlich zum Schluß-s selbst definiert hat (LocoChar) und man,
selbst wenn das lange s zur Verfügung steht, nicht weiß, wann welches s gesetzt
werden muß! In England wurde das lange s vor über 200 Jahren abgeschafft;
in deutscher Fraktur ist es jedoch noch heute obligatorisch.
Daß Hervorhebungen jeder Art nur sinnvoll, sparsam usw. verwendet werden sollten, damit sie nicht in sich untergehen, dürfte wohl klar sein.
Linien, Schmuckelemente, Graphik Ich möchte es einmal mit folgendem kleinen Vergleich sagen. Man kann aus den raffiniertesten und teuersten Zutaten ein hervorragendes Essen zubereiten oder auch das Gegenteil. Die französischen Köche jedoch sind dafür bekannt, aus einfachsten, aber erlesensten Ausgangsstoffen das zu zaubern, was heute eine der besten Küchen der Welt ausmacht. Mit unserem JOYCE-9-Nadel-Matrixdrucker können wir durchaus mit einfachen Mitteln Texte anspruchsvoll gestalten oder mit einem Laserdrucker und MicroDesign eventuell nur Makro-Mist bauen. In diesem Sinne: wir sollten etwas mehr französische Köche sein, anstatt Pellkartoffeln mit Kaviar zu servieren (aber ich glaube, ich wiederhole mich). Mr. DangSoft (fetzig, fetzig, dieses Pseudonym!) fragte nach "den richtigen Proportionen" wie Goldener Schnitt und ähnlichem. Schlicht und ergreifend meine Antwort: die typografische Grundregel lautet: der optische Eindruck ist entscheidend, und dem hat sich das Lineal unterzuordnen. Die Behauptung, Gestaltungen und Formate im Goldenen Schnitt seien das A und O, ist ein Märchen; die Vielzahl von Publikationen in anderen Formaten beweisen das. Unsere DIN-Formate haben lediglich technisch-praktische Bedeutung: jedesmal, wenn ich einen DIN-Bogen quer falze, entsteht wieder ein DIN-Format. Aber warum soll ich mir nicht eine eher längliche Visitenkarte zulegen, wenn mein Name besonders lang ist? Der Text soll schließlich schön auf Mitte stehen. Trotz allem nötigen Fachwissen besteht Typographie eben überwiegend aus Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. Mein Tip: Wenn Ihr etwas Schriftliches besonders gut gestalten wollt, druckt es aus, verbessert es, druckt es aus, verbessert es noch einmal ... das Ergebnis kann sich sicher sehen lassen! Ich hoffe, ich habe niemanden abgeschreckt, weiterhin Beiträge zur Klubzeitung zu schreiben, und lehne es auch strikt ab, irgendwelche Formvorschriften vorzuschlagen. An Werner und Richard: Macht weiter wie bisher, es paßt schon so!
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