Das Jahr 1987 kann rückblickend für die Joyce als das Jahr der Systematisierung angesehen werden, ich meine damit, dass einerseits durch weitere Produkte das System 'Joyce' vervollständigt und andererseits die Geheimnisse der Joyce sowohl hard- als auch softwaremäßig immer mehr gelüftet werden. Das ist logisch, denn wenn ein richtiger Freak längere Zeit mit einunddemselben System arbeitet, wird er/sie immer neue Dinge ausprobieren und so immer mehr Entdeckungen machen, z.B. wie ändere ich bei LocoScript den Zeichensatz ins Russische ab? Auch wurde unter den JoyclerInnen immer mehr bekannt, dass es seit Jahren massenweise Software in der Public Domain gibt, die nur kopiert und ausprobiert werden muss. Der Fachjournalist Martin Kotulla war hier besonders rührig und gab auch selbst eine (kleine) PD-Serie heraus. Dadurch wurden viele JoyclerInnen auf die amerikanischen PD-Reihen wie PicoNet, CPMUG (= CP/M Users Group) und SIG/M (= Special Interest Group for Microprocessors) aufmerksam, um nur die wichtigsten zu nennen. Exotische Programmiersprachen wie Forth oder APL (= A Programming Language) fanden so den Weg zu den Joyce-AnwenderInnen. Die Joyce wurde in diesem Jahr auch in Frankreich und in Spanien immer beliebter und entwickelte sich zu einem regelrechten 'Euro-Compi' ('Lieber einen Euro zum Rechnen, als mit einem Euro rechnen müssen', sagen sich heute die Deutschen, wenn jetzt die DM immer schwächer wird, weil aus Angst vor dem Euro das Kapital aus Deutschland flüchtet - so ändern sich die Zeiten...). Einige europaweite Klubs kamen auf. Aber es gibt auch Unerfreuliches (neben dem Euro) zu vermelden: Microsoft belabert Markt & Technik, den CBASIC Compiler von Digital Research aus dem Lieferprogramm zu nehmen und durch das Paket MS-BASIC zu ersetzen. Schon damals drängte M$ mit unlauteren Methoden missliebige Konkurrenz vom Markt. Wahrscheinlich hatte M$ mitbekommen, dass immer mehr kommerzielle Software extra auf und für die Joyce gecodet wurde (z. B. für Arztpraxen, Kanzleien, Zahnärzte, Handwerker, etc.) und hatte Angst, außen vor zu bleiben ... Die Software für die Joyce wurde immer leistungsfähiger. So bot HiSoft sein FTL Modula-2 an - eine sehr mächtige Modula-Implementierung. Auf dem Datenbanksektor gab es mit der echt relationalen Datenbank TAS eine Alternative zu dBASE II. Die 6. Amstrad Computer Show im Januar 1987 in London zeigte sehr deutlich, dass Joyce- Produkte verstärkt angeboten wurden. So zeigte Arnor seinen neuen BCPL-Compiler (= Basic Combined Programming Language), der sehr effizienten Code erzeugte und das auch noch schnell. BCPL wurde in den 60-ern von Martin Richards entworfen, ist aber dennoch eine hochmoderne Sprache und übte großen Einfluss auf die Entwicklung von C bei AT&T aus. Arnor zeigte gleich noch einen weiteren Hit: Protext - die bessere Alternative zu LocoScript. In Deutschland musste dann dieses Super-Textprogramm in Prowort umgetauft werden, weil seinerzeit ein (ziemlich schwaches) Textprogramm Protext für die CPCs existierte. Grafikanwendungen wurden auch gezeigt, z. B. der Magazine Maker für das elektronische Publizieren. Von HiSoft gab es auch neue Programme: den Pascal-Compiler Pascal80 mit einem integrierten interaktiven Editor und im-plementierter GSX-Grafik und das Disktool Knife. Eine weitere LocoScript-Alternative zeigte Tasman mit Tasword8000. Aber auch in Deutschland tat sich einiges: Im März-Heft druckte die CPC International das BASIC-Listing eines richtigen Assemblers für die Z80-Syntax ab - genau richtig für die Assemblerfreaks, die sich bislang keinen kommer-ziellen Z80-Assembler kaufen wollten. Ende des ersten Quartals gab es endlich die LocoScript-Version 1.4 mit der Erweiterung LocoMail. Damit konnten nicht nur personalisierte Briefe erstellt werden, sondern LocoMail entpuppte sich zu einer richtigen Sprache, mit der unter LocoScript programmiert werden konnte, allerdings war die Syntax etwas gewöhnungsbedürftig. Wer auf seiner Joyce neidisch zu den PCs mit den Mäusen blickte, dem konnte mit der Maus von Gerdes/Reisware geholfen werden. Zur Maus gab es noch viel Software, nämlich einen ganzen Korb von neuen BASIC-Befehlen für Maus und Grafik. Auch bei den Joyce-Spielen gab es Zuwachs: Strike Force Harrier (eine Hubschrauber-Simulation) und Bounder, der weltberühmte Tennisball, außerdem eine Umsetzung von Trivial Pursuit, dem allbekannten Gesellschaftsspiel. SchneiderData leistete sich die Verarsche des Jahres: Sie boten zu ihrem 24-Nadler ein LOCO24 an, das ein Programm sein sollte, mit dem LocoScript-Texte ausgedruckt werden konnten, analog zum LOCO15 für den Typenrädler SD15. Wer das Teil dann bestellte, musste zunächst lange warten. Und als endlich das Teil eintraf, lag eine lakonische Mitteilung bei, dass man sich entschlossen habe, LOCO24 nicht für die Joyce, sondern gleich für den PC zu entwickeln. Kein Kommentar! Im Gegensatz zur letzten CeBIT war die Joyce 1987 ins Hintertreffen geraten. Es gab zwar noch verstreut Anbieter für Joyce-Produkte, aber auf dem Schneiderstand wusste man nichts davon, so dass sich die JoyclerInnen mühsam durch den dicken Katalog suchen mussten. Schneider hatte damals schon die Joyce abgeschrieben, wie die spätere Entwicklung zeigen sollte. Die Joyce war immer noch weit verbreitet, so dass sich reine Joyce-Magazine versuchten, wie die Joyce-News - es blieb aber bei diesem Versuch (Hi Wolfram Schuchardt, was haste wohl falsch gemacht?). Das Jahr 1987 war auch das Jahr des Festplattenstreites in der CPC. Da wurde nämlich die Platte von Werder mit der von Vortex verglichen, und es hagelte massive Kritik an Vortex. Da intervenierte Vortex erfolgreich beim Herausgeber, so dass dann in einem weiteren Artikel diese Kritik wieder verwässert wurde. Irgendwie hat diese Geschichte Vortex doch zum Nachdenken gezwungen, und sie entwickelten dann mit der WD2000 ein recht ordentliches (wenn auch teures) System. Der DMV-Verlag landete 1987 einen echten Joyce-Knüller: das erste Joyce-Sonderheft war prall gefüllt mit Internas zum Betriebssystem. Endlich konnten die CoderInnen die Geheimnisse der Bildschirmprogrammierung lüften. Es dauerte auch nicht lange, bis Programme auftauchten, die den Zeichensatz verändern und echte Pulldown-Menüs erzeugen konnten. Ebenso gab es bald Formatierprogramme, die noch ein paar zusätzliche KBs herauskitzeln konnten. Das britische Softwarehaus Arnor macht in Deutschland eine Filiale auf und bringt auch gleich deutsche Versionen von Prowort mit. Auch gibt es einen richtigen C-Compiler für die Joyce. Somit stehen auf der Joyce für jede gängige Programmiersprache Implementierungen zur Verfügung - nicht schlecht für einen Billig-Computer! Die Joyce wird immer häufiger an den Universitäten u. a. von Biologen und Sprachforschern eingesetzt. Im Juli wird auf der 7. Amstrad Computer Show endlich die Version 2 von LocoScript vorgestellt. In aller Eile waren über 5.000 Exemplare für diese Messe produziert und zum Messepreis von 19,95 Pfund verteilt worden. Das Interesse war riesig, war dies doch die erste LocoScript-Version, die externe Drucker bedienen konnte. Diese Version wird auch auf dem Nachfolger der PCW 8xxx-Serie, dem PCW 9512 eingesetzt. Der grüne Bildschirm wurde durch einen etwas größeren Schwarzweiß-Monitor, und der 9-Nadler durch einen Typenraddrucker ersetzt. Ferner hat das Teil gleich eine richtige serielle und parallele Schnittstelle zum Anschluss von anderen Druckern. Das kleine A-Laufwerk gibt es auch nicht mehr, der PCW 9512 arbeitet gleich mit den großen CF2DD-Disketten - das exotische 3-Zoll-Format wurde noch beibehalten. Schneider wurde damals auch befragt, ob der PCW 9512 auch in Deutschland verkauft wird. Schneider verneinte, und wollte nur die PCW 8xxx-er verkaufen. Im Rückblick macht das Sinn, denn schon damals kriselte es gewaltig in der Zusammenarbeit zwischen Amstrad und Schneider. Und als dann im September Amstrad erfahren musste, dass Schneider den Com- modore-Entwicklungschef Willi Rusniok abgeworben hatte, war der Ofen aus... Es gab aber auch andere Neuigkeiten: den Pagemaker von Database Software, der mit der AMX-Maus zusammenarbeiten konnte und viel nützliches Zubehör für den Joyce-Einsatz wie z.B. eine geniale Papierführung. Zum Jahresende gibt der CMZ-Verlag einen Joyce Soft- und Hardwareführer heraus, der immerhin 100 DIN A5 Seiten stark ist. Aber es ziehen schon düstere Wolken für die Zukunft der Joyce auf, denn Amstrad hatte dummerweise seinerzeit im Vertrag festgelegt, dass bis Ende 1988 nur Schneider in Deutschland Amstrad-Computer verkaufen darf. Also kann Schneider im nächsten Jahr 1988 Amstrad einfach verhungern lassen - und genauso sollte es kommen... DangSoft, Auszug aus der Klubzeitung #51 der JOYCE-User-AG !
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