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Freitag: Entschleunigung |
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Nachdem ich voriges Jahr dem JOYCE- und Spectrum-Treffen nur einen kurzen Besuch als Tagesgast am Samstag abstatten konnte, klappte es dieses Jahr wieder, dass meine
bessere Hälfte und ich es uns als gemeinsamen Wochenendausflug vornehmen konnten. Das Hotel war gebucht (leider zu spät für das "Schiffchen", aber in Wolfhagen gibt es keine weiten
Wege) und wir nutzten Werners Angebot, Unmotorisierte am Bahnhof abzuholen. In Erfurt wohnen wir in fußläufiger Nahe zum Nordbahnhof und eine Regionalbahn fährt ohne Umsteigerei bis
Kassel-Wilhelms-höhe. Perfekt, denn dieses Jahr hatte ich mich entschieden, einen schwergewichtigen Oldie mitzubringen, einen Robotron KC 85/4, der einschließlich Disketten-Equipment
auf einen Turm aus drei Einzelgehäusen verteilt ist. Für das Fahrgastaufkommen auf dieser Strecke genügt ein Triebwagen, der aber an diesem Freitagnachmittag gut gefüllt war, doch
Sitzplätze fielen noch für uns ab. Das Wetter zeigte sich herbstlich-wechselhaft und wir fuhren abwechselnd durch Sonnenschein und Regenschauer. Unterwegs ging eine SMS an Werner ab,
anhand welcher Jackenfarbe er uns schnell ausfindig machen kann. Das klappte auch perfekt, er entdeckte uns schneller als wir ihn.
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Werner half uns noch, das Gepäck ins Hotel zu tragen, dann gab es für ihn noch Einkäufe für das Treffen zu tätigen und wir machten uns als erstes mit dem
historischen Stadtkern vertraut, um im Dunkeln den Weg auch wieder zurückzufinden. Die vielen Fachwerkhäuser sind einfach malerisch. Mit einem Stück Zwiebelkuchen und einem Becher
Federweißer kehrten wir ins Hotel zurück. Es war noch Zeit bis zum nächsten Programmpunkt, also ließen wir uns ein wenig vom regionalen Fernsehen informieren und erfuhren, dass wir
auch in diesem Jahr den "Herkules" in Kassel nur als Baustelle würden sehen können. Schon vor zwei Jahren war er in Bauplanen eingehüllt und obendrein hatte Nebel den Blick auf das
im Tal gelegene Kassel versperrt. |
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In der Gaststätte des Hotels "Zum Schiffchen" warteten bereits Werners Familie und Lothar auf uns, auch Jörg und Norbert
fanden sich noch ein. Erst wollte das Gespräch nicht so recht in Gang kommen, aber beim Warten auf das bestellte Essen boten sich natürlich Witzchen an, es sei vielleicht schon zu dämmrig,
sicher genießbare Pilze für meine Pilzpfanne zu finden und der Hirsch für Jörgs Roulade ließe sich auch schwerer erlegen, da er (wie ein Bild auf ausliegender Werbung zeigte) mit einem
Fernglas ausgestattet war und somit rechtzeitig den Jäger erkennen konnte. Offenbar überschreitet man beim Wechsel zwischen zwei Bundesländern auch eine Bier-Demarkationslinie, statt
des von mir bevorzugten Schwarzbiers versuchte ich es daher mit einem dunklen Hefeweizen, das mich aber nicht so recht überzeugen konnte. Ich warnte die Gesellschaft, dass ich ein
langsamer Esser sei, doch Werners Filius Linus stellte mich in den Schatten: seine Tomatensuppe, die er ausdrücklich in der Version mit Tobasco bestellt hatte, war auch nach einer
halben Stunde noch zu heiß (nicht zu scharf!), um sie aufessen zu können. Linus beschäftigte dann seine Mutti und meine Frau mit dem Stadt-Land-Fluß-Spiel, im Verlauf dessen er beim
Addieren der Punkte eine für einen erste-Klasse-Absolventen respektable Fertigkeit zeigte - offenbar hat er die guten Mathe-Gene abbekommen.
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Vor zwei Jahren nahmen wir an einer Stadtführung mit dem Nachtwächter teil, auf dem Rückweg zum Hotel lief uns diesmal ein
Grüppchen über den Weg, das teilweise in historische Gewänder (wie ein Rokoko-Kleid oder ein Harlekins-Kostüm) gehüllt war. Wir probierten auch einige Nachtbilder mit der Kamera, lohnende
Motive finden sich auch nachts, das Schloss und die Stadtkirche St. Anna werden von Scheinwerfern angestrahlt. |
Samstag: Tischlein-deck-dich bis Kino |
Am Samstagmorgen fanden wir bestätigt, dass Wolfhagen an der Deutschen Märchenstraße liegt: kein dienstbarer Geist war zu sehen und doch
fanden wir wie beim Grimmschen "Tischlein-deck-dich" frisch gebrühten Kaffee, gekochte Eier und ofenwarme Brötchen vor, begleitet von Süßem und Deftigem. Mit Jörg hatten wir am Vorabend
ausgemacht, dass er uns nach Nothfelden mitnimmt, hier noch einmal ein Dankeschön an ihn. Im Dorfgemeinschaftshaus begann das alljährliche Verteilen der Kofferrauminhalte auf die Tische
des Treffenraums, wie jedes Jahr war wieder eine große Bandbreite vom Sinclair ZX81 und Spectrum über SAM Coupé und natürlich den, Entschuldigung, die JOYCE in den verschiedensten
Ausführungen bis zum Windows-XP-Laptop vertreten. |
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Dass Festplatten und Compact-Flash- oder USB-Ausstattungen für unsere Oldies keine Seltenheit mehr sind, wurde ja schon in den vergangenen
Jahren berichtet, dennoch waren auch dieses Jahr die Fachsimpeleien noch nicht versiegt. Auch Arbeit gibt es jedes Jahr neu, so war Werner gebeten worden, auf Vortex-Festplatten gesicherte
Datenbestände eines Museums auf aktuellere Medien zu transferieren, was zunächst an erforderlichen passenden Treiberdisketten scheiterte. Auch dieses Jahr hatten die meisten vergessen,
ihr AG-Basecap mitzubringen, doch Werner hatte wie ich daran gedacht und auch Linus trug eins. |
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Weitere Gäste trafen ein, wie Scott-Falk aus Sömmerda (Thüringen), Dieter plus Andrea und JUAG-Neumitglied Klaus aus Bielefeld,
ein emsiger ZX81-Löter und Flohmarkt-Aufkäufer. Er hatte mehrere aktuelle Projekte mitgebracht, die Neuauflage des ZX80 (das "Legacy"-Board) konnte er leider nicht lange testen, denn der
zugehörige kleine Fernseher (oder Monitor?) ging leider während der Programmladeversuche defekt. Auch ich blieb nicht vom Vorführungseffekt verschont, es gibt ein Basic-Programm, das eine
sich vor einem Sternenhimmel drehende Erdkugel zeigt, leider sind wohl die Daten der Einzelbilder beschädigt worden, aber heutzutage hat man die sich schnell aus dem Internet wiederbesorgt.
Eine besondere Überraschung erlebte Dieter. In K82.13 hatte er geschildert, wie er aus einer JOYCE-Platine aus Jörgs Händen wieder eine JOYCE zusammenlötete. Das weckte Lothars Mitgefühl,
Dieter tat ihm leid, was er sich da für einen Berg Arbeit aufgehalst hatte. Hanni war dieses Jahr nicht nach Nothfelden mitgekommen, weil sie noch Erholung vom gerade absolvierten Ostseeurlaub
gebraucht hatte. So hatte Lothar genügend Platz im Auto, einen ladenneuen, unbenutzten und komplett ausgestatteten PCW einschließlich Drucker und Staubschutzhaube im Originalkarton mitzubringen
und dem aus allen Wolken fallenden Dieter zu überreichen.
Die Damen hatten wieder ihr eigenes Programm, mit Linus besuchten sie das riesige Residenzschloss Arolsen. Interessanter als das
Schloss, der Park und die Tinnitus-Klinik waren für Linus sicher die unterwegs angetroffenen Enten, Pferde und Kühe, die gefüttert werden wollten.
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Leider gab es auch einen traurigen Moment - noch nicht alle hatte die Nachricht erreicht, dass Wolfgang, viele Jahre Herz und Seele des Spectrum- und SAM-Clubs, nicht aus dem
Koma erwacht und vor einigen Wochen verstorben war. Der Club, dessen Motor er war, kommt inzwischen wieder langsam auf die Beine, wie mir die zwei jüngsten Ausgaben ihrer Zeitschrift zeigten.
Danke an Norbert, der sie mir auf der Stelle als Geschenk überließ. Aus der Computerei wurden wir wie jedes Jahr durch den Ruf an die (auf dem Rasen vor dem Gebäude aufgebaute) Mittagstafel
mit Suppen, Brötchen, Bockwurst und Obst gerissen (danke an die fleißigen Küchenhelfer!) und später am Nachmittag zur Mitgliederversammlung. |
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Dieter und Scott-Falk hatten als Kassenprüfer keinen Anlass zu Beanstandungen entdecken können, der alte Vorstand wurde entlastet
und war wenige Minuten später in bewährter Besetzung wieder der neue Vorstand. Doch für Lothar und mich hatte Werner eine Überraschung: als Anerkennung für unsere Zuarbeit mit Artikeln für
die Klubzeitung überreichte er jedem von uns beiden zunächst die "Goldene Steckdose" (einen auf Treffen stets gefragten Schuko-Dreifach-Verteiler) und dann je eine Gedenkmünze - passender
weise die Ausgabe mit dem deutschen Computer-Pionier Konrad Zuse. |
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Für den KC 85 hatte ich diesen Sommer ein ROM-Modul mit der Programmiersprache FORTH erworben, nach Startversuchen auf dem ZX81
und dem Jupiter ACE wollten Klaus und ich auch hier weitere erste Einblicke in diese interessante Programmierumgebung gewinnen - vielleicht klappt es nächstes Jahr, dieses Jahr blieben wir
beim Schach hängen. Wir ließen den KC und den ZX gegeneinander antreten. Der Robotronrechner mit dem Programm "Video Chess-Master" führte die weißen Figuren und gewann das erste Spiel gegen
das Programm "Superchess" von Micro-Gen für den Sinclair-Computer mit 16K-Speicherer-weiterung, beide Programme arbeiteten auf der niedrigsten Schwierigkeitsstufe. |
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Da auch der Magen und die Geselligkeit nicht zu kurz kommen sollten, trafen wir uns am Abend im Wolfhager Bistro "Pierrot". Die Videowand
mit Fußball und später Musikantenstadel störte mich dort nicht, denn ich saß mit dem Rücken zu ihr. Das Essen war lecker, hier gab es zu meiner Freude auch das Bier aus Köstritz und Linus
bekam Gelegenheit, seinen Stadt-Land-Fluß-Wettbewerb in erweiterter Runde fortzuführen. |
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Am Abend gab es im Dorfgemeinschaftshaus noch die DVD-Vorführung der von Werner in der Rundmail
angekündigten Krimikomödie "Peng! Du bist tot!" mit dem noch sehr jungen Ingolf Lück in der Hauptrolle und dem Roboter "Max", der (von, bei genauem Hinsehen erkennbar, einem Sinclair ZX
Spectrum gesteuert wurde) ihm Bier aus dem Kühlschrank holen konnte, aber irrtümlich auch mal mit einer Waffe umherschoß. Als weitere bekannte Darsteller fielen mir Rolf Zacher und Piet
Klocke auf. Die erste Vorführung hatte drei Zuschauer und ging bis nach Mitternacht, wegen der großen Nachfrage wurde aber am Sonntag noch eine Nachmittagsvorstellung angesetzt. |
Sonntag: Schach, die Revanche
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Am Sonntag setzte sich das Schlaraffenland fort: wir hatten gleich zwei Chauffeure. Wir hatten Jörg nicht gesagt, daß
Klaus uns mitnimmt (er wohnte wie wir im "Stadt Wolfhagen"), doch verkehrt war es nicht, da auch unser restliches Gepäck mitzunehmen war und so wurde es auch nicht zu eng.
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In Nothfelden wurde das Schachturnier des Vortags fortgesetzt, aber als erstes erfüllte ich Werners Bitte um einen groben
Überblick zum Robotron-Computer, dessen Betriebssystem CAOS heißt, was aber nicht als "Chaos" mißzuverstehen sein sollte. Mit Zusatzausrüstung für Diskettenarbeit lässt er sich genau wie
die JOYCE als CP/M-Maschine verwenden, von vornherein ist er mit Schächten für Steckmodule ausgestattet und es gibt eine aktive Nutzerszene, die heute noch neue Module wie für USB-Nutzung
oder Internet-Surfen entwirft und auch produziert. Auch Werner wollte die Schachstärke des KC-Programms testen, gegen Cyrus II auf dem PCW hatte es aber, wie sich zeigte, keine Chance.
Dafür siegte der KC (mit vertauschten Farben) wieder gegen Klaus' Sinclair-Computer. |
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Scott verblüffte uns, indem er ein kleines Video drehte, rasch auf dem Notebook umwandelte und uns dann auf dem Spectrum 128K
in schwarz-weiß vorführte. Wenn dergleichen aus unseren 8-bit-Oldies herauszukitzeln geht, was könnte man erst auf den aktuellen Maschinen erreichen, doch hier findet nur die ewige Spirale
statt, dass die RAM- und HD-Größe und die Taktfrequenz steigen, sich im Anschluss aber augenblicklich die Betriebssysteme und Programme aufblähen und unterm Strich kaum eine Verbesserung
übrig bleibt. Viel zu schnell verflog wieder die Zeit, nach dem Mittagessen, im windgeschützten Hof auf der anderen Seite des Hauses, war es schon wieder an der Zeit, die Technik reisefertig
zu verstauen, Werners Frau fuhr uns zum Bahnhof, wir stellten fest, dass zu Wolfhagen als Märchenmotiv statt der "Sieben Geißlein" auch genau so gut "Schneewittchen" gepasst hätte - doch
vielleicht liegt Wolfhagen ja vor und nicht hinter den sieben Bergen? Ein Wochenende, das uns aus dem Alltagsstress und -trott gerissen hatte, war vorbei. Danke an Werner für die wie jedes
Jahr perfekte Vorbereitung, Organisation und Durchführung des Treffens. Wir sind nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei und vielleicht hat dieser Artikel auch JUAG-Mitglieder neugierig
gemacht, die bisher auf einen Ausflug nach Nordhessen verzichtet hatten - es lohnt definitiv! |
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Thomas Rademacher, September 2010 |