Wiedersehen im Märchenland der Brüder Grimm


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Hotel "Zum Schiffchen"Das gemeinsame Treffen des Spectrum- und SAM-Profiklubs und der JOYCE-User-AG fand in diesem Jahr zum ersten Mal in Nordhessen statt, zentraler in Deutschland gelegen als der bisherige Veranstaltungsort bei Bonn und somit auch für mich mit einer kürzeren Anreise verbunden. Dennoch hatte ich wegen zweier anderer Termine die Teilnahme an der Spectra-Joyce 2008 abgesagt. Der eine Termin war aber etwa eine Woche davor geplatzt und als ich Freitag aus der Nachtschicht heimkehrte, erzählte mir meine Frau, daß auch ihre für Samstag geplant gewesene Kinderbetreuung am Vorabend telefonisch abgesagt worden war. So entschlossen wir uns spontan, doch nach Wolfhagen zu fahren. Als erstes rief ich bei Werner an, ob er noch schnell Zimmer für uns reservieren könnte. Das klappte glücklicherweise und unser Sohn hatte auch nichts gegen einen Wochenendtrip, somit hatten wir sogar einen Chauffeur und mußten uns nicht auf das Abenteuer Deutsche Bahn einlassen - wir hätten ja nicht einmal mehr Frühbucherrabatt bekommen. Nun galt es zu überlegen, was ich alles mitnehme. Auf jeden Fall meine Frau: beim JOYCEvent in Erfurt hatte ich jeden Tag einen anderen Grund, warum sie nicht dabei war. Womöglich gab es im Club schon Gerüchte, ich hätte gar keine?

Für mein Hobby habe ich zwar ein betagtes Notebook, mit diesem macht aber das Arbeiten keinen Spaß mehr. Die Eingangsbuchse für die Betriebsspannung müßte wieder festgelötet werden, aber für diesen kleinen Eingriff bekomme ich einfach den Computer nicht weit genug auseinandergenommen. So kann jederzeit die Arbeit durch ein Anstoßen an den Tisch unabgespeichert verloren gehen (der Akku ist auch schon lange hinüber und puffert keine Sekunde mehr) und aus diesem Grund hatte ich mir zum glatten Geburtstag von der Verwandtschaft statt Präsentkörben, Pralinenkästen und Blumensträußen ein Netbook schenken lassen, den Eee-PC von Asus. Allerdings habe ich mich auf diesem (er hat ein Linux und nicht Windows als Betriebssystem) noch nicht genügend eingearbeitet, so blieb mir nichts anderes übrig, als den Windows-PC-Tower (mit zusätzlich eingebauter Festplatte des Hobby-Notebooks) mitzunehmen, ich habe nach wie vor keinen realen JOYCE, sondern benutze John Elliotts Emulator. Allerdings wäre das auf der Eisenbahn eine rechte Schlepperei geworden...

Dieter an seinem SAM Coupè  

Betrachtung des 3D-Bilds mit der gleichen Methode wie bei den Magic-Eye-Büchern der 90er Jahre: Augen auf einen weit entfernten Gegenstand fixieren, dann auf das Bild richten, ohne die Stellung der Augen zueinander zu verändern. Fokussierung auf Nähe ändern, aber Blickachsen parallel lassen - erfordert etwas Übung, wird aber mit einem plastischen Bild belohnt.

Die Hinfahrt am Samstag Vormittag verlief ohne Probleme, die Staus, die wir sahen, waren zum Glück nur auf der Gegenfahrbahn. Am Hotel nahmen wir nur kurz die Zimmerschlüssel in Empfang, stellten einen Teil des Gepäcks ab und fuhren weiter nach Nothfelden ins Gemeindezentrum. Unser Junior, der mit so alten Computern nichts am Hut hat, fuhr gleich weiter nach Düsseldorf, um sich dort ein Fußballspiel anzusehen. Der Veranstaltungsraum war schon recht gut gefüllt, aber Jörg Sch. und Lothar rückten mit ihrer Technik ein wenig auseinander, so daß ich mit meiner noch dazwischen paßte. Das Publikum bestand ausgewogen aus einer Hälfte Sinclair- und einer Hälfte Amstrad-Computer-Nutzern. Ich war erst zum zweiten Mal auf einem JOYCE-Treffen, also kannte ich ein paar Leute (teilweise auch von Treffen des ZX-Teams) und ein paar Gesichter waren neu für mich. So lernte ich Scott-Falk kennen, dessen Name mir schon oft im Internet, beim SPC Köln, untergekommen war. Eigentlich wohnt er ganz in der Nähe (von Erfurt ist es nicht weit bis Sömmerda), aber trotzdem hatte ich ihn noch nicht persönlich getroffen. Kam ich quasi nachträglich zu BasiCode, hatte er schon damals in dessen originaler Zeit mit dem Computer-Esperanto gearbeitet. Von ihm ist zum Beispiel das Spiel "Burgschlacht" und dieses brachte ihm damals auch einen Preis ein.

Werners PcW10Der JOYCE bringt ja seinen Monitor gleich mit, an den Spectrums (und SAMs) sah man die unterschiedlichsten Lösungen, vor allem kleine LCD-TVs haben sich inzwischen durchgesetzt. Ebenso vielfältig sind die Disketten-Lösungen, aber hier liegt gleichzeitig das Problem: alles Gute ist nie beisammen, es gibt keine "eierlegende Wollmilchsau". Vielleicht bringen die modernen Wechseldatenträger hier einen Fortschritt, USB-Sticks, CF- oder SD-Karten kann man auch rasch woanders auslesen oder bespielen. Hier hat wohl der JOYCE gegenüber dem Spectrum (oder auch dem ZX81) noch Nachholebedarf.

Dieter war beschäftigt, eine Festplatte in über 100.000 Partitionen einzuteilen, jede sollte dann ein Image (d.h. eine Spectrum-Diskette) aufnehmen, also ein komfortables Archiv für die kompletten Datenbestände.

Werner spielte seinen Heimvorteil aus und war mit vier Computern da, außer mit einem "normalen" JOYCE auch mit einem PCW 10, einem Windows-Tower und einem Notebook.

Edersee mit Niedrigwasser   An der Staumauer   Wasserpark Edersee   Seilbahn zum Schloß Waldeck

Die Frauen (von Lothar, Werner und Bernhard sowie meine) und Linus unternahmen inzwischen einen kleinen Ausflug. Vom Edersee war Wasser abgelassen worden, dadurch hatte er jetzt eine Insel. Für eine Dampferfahrt war nicht genug Zeit, aber über die Staumauer machten sie einen Spaziergang und dann konnte Linus auf dem großen Wasserspielplatz verschiedene Spiele ausprobieren. Danach fuhren sie zum Schloß Waldeck und liefen erst einmal den Rundwanderweg um die Burg ab und fuhren anschließend mit der Seilbahn auf die Burg. Von dort oben konnten sie noch einmal den Stausee und die Staumauer sehen. Schließlich gab es noch ein Picknick im Freien.

Auch die Computerfreunde aßen im Freien. Es gab Nudel- oder Erbsensuppe, dazu Brötchen und gekochte Wiener Würstchen. Das Wetter war nach dem teilweise recht kalten September noch einmal richtig sommerlich geworden.

Dann kehrten die Computerversessenen an ihre Tastaturen zurück (hätten sie bei schlechtem Wetter schließlich auch gemacht). Ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mein Diashow-Programm (auf der Basis der Streamlined Basic-Lösung von Geoffrey Childs) zu verfeinern und veröffentlichungsreif zu machen, aber kam damit nicht sehr viel weiter. Werner und Jörg Sch. hatten ein wenig mit dem grafischen Betriebssystem SymbOS experimentiert und bei beiden traten auf den Original-JOYCEs die gleichen Fehlfunktionen auf. Nun wollten sie wissen, ob ich auf dem emulierten JOYCE die gleichen Erfahrungen gemacht habe. Das konnte ich verneinen, also versuchte Werner, ob es sich ändert, wenn er eine Diskette verwendet, die ich ihm am PC von dem von mir verwendeten DSK-File bespielt habe. Es blieb dabei und wir kamen einmütig zu der Einschätzung, daß die JOYCE-Version dieses 8-bit-Betriebssystems wohl an einem Emulator erstellt und getestet worden ist.

Werner hatte auch schon Anfragen an den Programmierer geschickt, die unbeantwortet blieben. Das hat allerdings einen merkwürdigen Beigeschmack, hatte dieser doch gemeint, in einem Internetforum seine Einschätzung verbreiten zu müssen, beim JOYCE-Klub sei außer den Klubtreffen wohl nicht mehr viel Aktivität vorhanden. Jedenfalls wäre es kein Problem, ihm einen echten JOYCE (und sogar dauerhaft) zur Verfügung zu stellen, sowohl Werner als auch Lothar haben genügend davon in Reserve stehen.

Am Nachmittag zogen sich die JOYCEr noch einmal zurück, um die obligatorische Vereinssitzung abzuhalten. Der Vorstand wurde in gleicher Besetzung wiedergewählt, wofür wir uns Reiners Einverständnis telefonisch einholten, aber das alles, wie auch die Überlegung, die Satzung zu verschlanken, wird im Protokoll oder an anderer Stelle in der Klubzeitung nachzulesen sein.

Peter aus Dessau sucht nach Möglichkeiten, über 3,5"-Disketten mit anderen Computern in Datenaustausch zu treten und bat mich, eine Diskette in einem der vielen CP/M-Formate zu formatieren und eine Testdatei daraufzukopieren, wofür ich das DOS-Programm 22DISK verwende. Was auf 5,25"-Disketten für KC 85 und KC compact gut geklappt hatte, schien auf 3,5"-Disketten doch Schwierigkeiten zu machen, aber es gibt auch andere Möglichkeiten und die Versuche mit ANADISK (die Anregung kam, glaube ich, von Dieter) schienen sich aussichtsreicher zu entwickeln. Außerdem fragte er mich nach einer Art Norton Commander für CP/M, hier konnte ich ihm vor Ort nicht helfen, aber ich wußte, das ich im Internet schon einmal darauf gestoßen war und konnte ihm gleich nach der Heimfahrt einen passenden Link mailen. Nun bleibt abzuwarten, ob dieser CP/M-Commander auch auf dem 64-Spalten-Bildschirm des Spectrum zu verwenden geht.

Bevor wir nun zum Abendessen beim Italiener aufbrachen, stellten wir uns noch rasch für das Gruppenfoto auf. Zwar nutzten wir die Selbstauslöser von Dieters und Werners Kameras, trotzdem ist es unvollständig: am nächsten Tag stieß noch Dirk Berghöfer hinzu, der außer mir als einziger das JUAG-Basecap trug. Beim Italiener war es ordentlich voll, gut, daß Werner für uns reserviert hatte. Die Portionen waren riesig und es schmeckte gut.

Als Nächstes hatte Werner eine nächtliche Stadtführung für uns gebucht, bei der der Stadtführer als Nachtwächter einschließlich Horn und Hellebarde gekleidet war. Treffpunkt war der Märchenbrunnen auf dem Marktplatz. Wolfhagen vermarktet sich touristisch als Teil der deutschen Märchenstraße und vertritt hier das Märchen von den sieben Geißlein. Außer dem Stadtnamen hat Wolfhagen hierfür vorzuweisen, daß einer der Brüder Grimm einige Jahre hier lebte. Allerdings weder Jakob noch Wilhelm (die die Märchen sammelten und aufschrieben), sondern ein dritter Bruder, der zeichnerisch begabt war und die Märchen illustrierte.

Jeder bekam eine Petroleumlampe in die Hand gedrückt und nach einem Begrüßungsschluck mit Wolfsblut folgten wir dem Nachtwächter und lauschten seinen Schilderungen und Anekdoten. Es war von einem Weltreisenden die Rede, dem berühmtesten Bürger Wolfhagens, der zweimal in Brasilien war, doch beim zweiten Mal beinahe dort verblieben wäre - in den Mägen kannibalischer Indianer. Das mittelalterliche Leben hatte Begleiterscheinungen, die einem in Filmen über die Zeit oft nicht bewußt werden, wie Pestepidemien und Stadtbrände. Kanalisation gab es noch nicht, alles floß einfach in Rinnen im Pflaster bergab. Hörte man morgens den Ruf "Habt acht" und grübelte, warum nicht sieben oder neun, landete vielleicht der schwungvoll aus dem Fenster geschüttete Inhalt eines Nachtgeschirrs auf der Kleidung. Auch durfte man die Feierabendglocken nicht überhören - eine Stunde später wurden die Stadttore geschlossen. Man kam nur noch an einem einzigen hinein (wenn man nicht Opfer von Räubern oder Wölfen werden wollte), allerdings mußte man erst dem Wächter und der interessiert lauschenden Bevölkerung Rede und Antwort über seine Person und den Grund der Verspätung liefern und bekam dann auch nur Zutritt durch eine etwas mehr als kniehohe Klappe kriechend, eine Situation, die man sicher lieber vermied. Wolfhagen war (wie Erfurt) eine Zeit lang auch preußisch, gegründet worden war die Stadt von einem Thüringer Landgrafen. Interessant für mich als Thüringer war auch, daß es in der Umgebung ein Naumburg gibt, bisher dachte ich, Naumburg an der Saale hätte als einziges diesen Namen. Außer zur Deutschen Märchenstraße gehört Wolfhagen auch zur Deutschen Fachwerkstraße und der historische Stadtkern ist auch wirklich sehenswert, sozusagen eine Vervielfachung der Erfurter Krämerbrücke.

Am Sonntag ging es mit dem Computerhobby weiter. Werner nahm nun in Angriff, SymbOS mit John Elliotts Emulator auf dem für das Hobby angeschafften Notebook auszuprobieren. Als erstes war eine Bootdiskette (bzw. ein Abbild) zu erstellen und dann ging es auch schon los und wurde auch von Erfolg gekrönt, hier gingen wirklich die erwarteten Fenster auf, was auf dem echten JOYCE nie klappen wollte.

Mit unserem Sohn hatte ich eine Zeit vereinbart, zu der ich mit dem Zusammenpacken beginnen wollte, die Zeit bis dahin nutzten er und meine Frau für eine kurze Visite am Herkules in Kassel. Die Anlage, derzeit wegen Restaurierungsarbeiten größtenteils verhüllt, war beeindruckend, der Blick ins Tal aber an diesem Morgen ebenfalls: von Kassel war nichts zu sehen, es lag alles in dichtem Nebel.

Nun war leider schon wieder die Zeit gekommen, sich von allen zu verabschieden, nächstes Jahr wollen wir wieder dabei sein. Danke an Werner, Jörg und Dieter für die Vorbereitung und den Küchendienst.

Thomas Rademacher