Bits und Bytes auf langen Wellen
Anfang der 90er Jahre bot der Fernsehsender Pro‑7 einen Programmservice für Computerfreunde. Die Programme wurden auf ähnliche Weise übermittelt wie Videotext auf anderen Kanälen. Der Haken: Zur Decodierung benötigte man ein fast "4 Klaviere" teures Interface, das die chiffrierten Daten entschlüsselt, für Shareware, bei deren Benutzung man ohnehin einen zusätzlichen Obolus zu entrichten hat, ein stolzer Preis. Dass Datenfernübertragung über Massenmedien auch weniger kommerziell ablaufen kann, war Aufgabe dieses 1992 von Thomas Mäurer verfassten Artikels. Die Rede ist hier von BASICODE, speziellen BASIC-Programmen, die auf allen handelsüblichen Rechnern laufen und hierzulande von zwei Sendeanstalten, Radio Hilversum und DS-Kultur, zu drei verschiedenen Sendezeiten im Mittel- und Langwellenbereich zu hören waren. Im Gegensatz zu Pro7 war zum Einspeisen in den Computer bei den meisten Typen nur sehr wenig Hardware erforderlich, die sich zudem leicht selbst zurechtlöten lässt. Atari ST und PC-Clones kamen mit etwas mehr als einem halben Dutzend passiver Bauelemente (Widerstände, Z-Dioden, Potis und Kondensatoren) zurecht, womit die Kosten für das Interface incl. aller Stecker die 10-DM-Grenze kaum überschritten. Die meisten 8-Bitter benötigen nicht einmal ein Interface, da diese die vorhandene Kassettenschnittstelle nutzen konnten (und auch heute noch können). Das Interface war natürlich nur die halbe Miete, wie jede nicht standardmäßig vorgesehene Peripherie braucht auch diese einen "Treiber". Wenngleich nicht alle Treiber sogenannte PD (Public Domain) sind, so liegen doch deren Preise zumindest auf PD-Niveau. Sehr günstig kamen z.Z. Eigner von Computern des selbsternannten "Industriestandards" (PC-Clones) an die erforderliche Systemsoftware: Es genügte eine formatierte Diskette mit schriftlicher Angabe des Formats, der Adresse, der Aufschrift "BASCODER für PC", sowie eine selbstadressierte und ausreichend frankierte Verpackung für die Rücksendung. Dies alles schickte man an: Deutschlandsender-Kultur, "Rem-Spezial Computermaganzin" in Berlin-Ost.
War man - nach etwas über einer Woche - im Besitz der gefüllten Scheibe, so stand dem Empfang diverser Spiele, Lernprogramme, Hilfsprogramme für Amateurfunker und DX-er, einer Kontaktbörse sowie einer Bildschirmzeitung zu den Themen Raumfahrt, Stereophonie, Elektronik und Computer eigentlich nichts mehr im Wege. Blieben nur noch der Empfänger und die Antenne. Bewohnern sogenannter "Arbeiterschließfächer" blieb BASICODE leider verwehrt, da faraday'sche Käfige gemeinhin für elektromagnetische Wellen ziemlich undurchlässig sind und die Gemeinschaftsantenne praktisch nie die langwelligeren Bänder unterstützt. Ansonsten waren die Anforderungen an das Radio nicht allzu groß, wobei allerdings die - eingebaute oder externe - Antenne eine gewisse Richtwirkung haben sollte, um Interferenzen auf ein Minimum zu reduzieren. So lieferte ein einfaches Kofferradio mit Ferritantenne in der Regel bessere Ergebnisse als ein HighTech-Produkt mit Stabantenne. Diejenigen unter uns, die eine Mittelwellen-Rahmenantenne an ihren Weltempfänger angeschlossen hatten, konnten diese mit einem Styroflex-Kondensatoren und einem Codierschalter (hex 0 bis FF) auf den Langwellenbereich, in dem auch DS-Kultur sendete, erweitern (siehe Schaltbild). Zwar sank hierdurch in dem erweiterten Bereich (von etwa 150 bis 520 kHz) die Güte gemäß der Formel und damit auch die Trennschärfe der Rahmenantenne, da die 3-dB-Bandbreite zunimmt, dies spielte zumindest bei den etwas besseren Geräten jedoch keine Rolle, der Antennengewinn aber war recht beträchtlich.
Literatur:
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