Es war einmal...

Die Jahre 1969-1970 waren reif für die Idee des Mikroprozessors

(Federico Faggin).

In unserer schnellebigen Zeit wird leider nur allzu schnell vergessen, wie sich so manche Entwicklung anbahnte. Was z. B. Mikroprozessoren angeht, da werden diese Teile milliardenfach in allen möglichen Bereichen eingesetzt, aber nur wenige können sich noch erinnern, wie eigentlich alles begonnen hat:

1969 Busicom, ein junges aggressives japanisches Unternehmen, will den etablierten Herstellern von alten, elektromechanischen Rechenmaschinen Paroli bieten und setzt auf die nagelneue MOS-Technologie (= Metall-Oxid-Silizium). Sie vergeben ihren Auftrag aber nicht an die damals großen Halbleiter-Hersteller wie Fairchild oder Motorola, sondern an die kleine und damals ziemlich unbekannte Firma Intel in Santa Clara, Kalifornien. Die Intel-Mitbegründer Gordon Moore und Bob Noyce hatten zuvor bei Fairchild gekündigt und mit Intel ihre eigene Firma gegründet. Sie kannten auch Federico Faggin sehr gut, der es bei Fairchild geschafft hatte, die Bipolartechnik auf die MOS-Technologie rüberzuziehen.

Als zwölften Mitarbeiter holte sich Intel Ted Hoff von der Stanford-Universität, der dann die geniale Idee hatte, für den Busicom-Auftrag gleich einen allgemein verwendbaren Mikroprozessor zu bauen. Zusammen mit Stan Mazor begann Hoff, einen 4-Bit-Mikroprozessor zu entwickeln. Da sie aber zu wenig Erfahrung mit MOS hatten, zog sich die Arbeit in die Länge...

1970 Im April wechselte Federico Faggin zu Intel und übernahm sofort die Entwicklungsarbeit und schaffte binnen weniger Wochen die erste Mikroprozessorfamilie der Welt: die 4000-er Familie, bestehend aus dem 4001 (ein ROM-Speicher mit 2048 Bit), 4002 (ein RAM-Speicher für 320 Bytes), 4003 (Ein-/Ausgabe für 10 Bit) und dem 4004 (ein 4-Bit-Prozessor).

1971 Busicom begeht den größten Fehler und überläßt die Rechte an der 4000-er Familie Intel. Die Japaner erkannten einfach nicht die Bedeutung dieser Erfindung, sondern wollten sich wie gehabt nur auf ihre Rechner konzentrieren. Hätten die Japaner damals anders entschieden, sähe die Computerwelt heute gewiß anders aus!

Zeitgleich kündigt Texas Instrument (TI) in Electronics eine Zentraleinheit auf einem einzigen Chip (a CPU on a chip) an. Dieses Teil war von Computer Terminal Corp. (CTC, heute Datapoint) geordert worden. Ted Hoff erkannte, daß die TI-Entwicklung sich einfacher umsetzen ließ; das Projekt wurde 1201 genannt und von CTC finanziert.

Einige Monate später war dann CTC nicht mehr an dem Projekt interessiert, weil die Halbleiterpreise in den Keller gerutscht waren und überließ alle Rechte an Intel; das 1201-Teil wurde nun in 8008 umbenannt, weil es die 8-Bit-Version des 4004 war.

1972 Im April wurde mit dem 8008 der erste 8-Bit-Prozessor offiziell der ™ffentlichkeit vorgestellt. Die Elektronikindustrie war plötzlich aufgewacht und verlangte von diesem 400-Dollar-Chip die gleiche Leistung wie von einem 50.000-Dollar-Minicomputer. Faggin entwickelte den 8008 weiter zum 8080.

1974 Im März wurde der 8080 auf dem Markt eingeführt und damit die Computerwelt total umgekrempelt. Faggin erinnert sich: Mit dem 8080 wurde der Markt für Mikroprozessoren geschaffen, die Vorläufer 4004 und 8008 ließen diesen Markt nur ahnen, der 8080 machte ihn zur Tatsache (The Birth of Microprocessor", Byte, März 1992, S. 145-150).

Faggin will den 8080 noch weiter verbessern, kann sich aber beim Intel-Management nicht durchsetzen und verläßt im Zorn Intel. Er gründet eine eigene Firma: Zilog. Dieser Name steht für Z-ILOG und soll heißen: So wie Z der letzte Buchstabe im Alphabet ist, so haben wir das letzte Wort in Sachen ILOG (= integrierte Logik)!

Der Name Federico Faggin wurde dann in den Intel-Annalen gelöscht und Ted Hoff wurde lange Zeit als der Erfinder des 8080 gefeiert, obwohl es Faggin war, der schaffte, wozu Hoff nicht fähig war. Faggins Frau Elvia führte in Zeitschriften einen persönlichen Kreuzzug, bis in den späten 80-ern in den San Jose Mercury News die Wahrheit ans Licht kam.

Intel erfuhr viel zu früh von Faggins Plänen mit dem künftigen Z80 und verbesserte ganz eilig seinen Oldie 8080: im November wird der 8085 eingeführt, ein höher integrierter und etwas schnellerer 8080, der aber immerhin mit nur einer Versorgungsspannung von 5 Volt auskommt.

1975 In der Januarausgabe von Popular Electronics wurde das Projekt Durchbruch angekündigt: für nur 398 Dollar konnten sich die LeserInnen einen Bausatz für einen richtigen Computer bestellen, den Altair 8800, der mit einem 8080 bestückt war. Das war der erste Home-Computer überhaupt.

1976 Faggin stellt den Z80 vor, eine stark verbesserte Version des 8080. Der Z80 (der ja auch bekanntlich in unserer Joyce werkelt) hatte nicht nur mehr Befehle als der 8080, sondern brauchte nur eine einzige Versorgungsspannung von 5 Volt (beim 8080 waren ja noch einmal extra 12 Volt notwendig). Zilog wurde dabei finanziell von Exxon unterstützt. Der Z80 wird sofort begeistert von der Industrie aufgenommen und nimmt Intel viele Marktanteile weg. So ersetzte z. B. Cromemco den 8080 bei ihren Computern sofort durch den Z80.

1979 Zilog stellt den neuen Prozessor Z8000 vor, der aber total inkompatibel zum Z80 war  ein schlimmer Fehler, wie sich herausstellte. Der Z8000 bekam zwar einige Preise für sein geniales Design, ließ sich aber nicht verkaufen.

Dieses Jahr ist auch das Jahr des großen Hardware-Krieges zwischen National Semiconductor und Zilog: Bei National kam es zu einer persönlichen Fehde zwischen Howard Raphael (Entwickler der neuen Mikroprozessorfamilie 16000) und Bill Sweet (Marketing-Direktor für die Mini-Computer). Der Verlierer Sweet flüchtete dann mit fünf seiner besten Leute zu Zilog.

Ein paar Wochen später traf Raphael den Marketing-Leiter von Zilog, Ken McKenzie; die beiden kannten sich noch von Intel-Zeiten her recht gut. McKenzie verplapperte sich und Raphael erfuhr, daß bei Zilog Kopien der 16000-er Pläne herumliegen. National verklagte dann Zilog wegen Diebstahl geistigen Eigentums. Untersuchungen ergaben, daß die von National nach Zilog gewechselten Leute sechs Kartons mitgenommen hatten, aber Pläne waren nicht darunter. Das alles schadete Zilog überhaupt nicht, eher im Gegenteil: Zilog war damals der shooting star, obwohl seine Palette nur aus drei Produkten bestand: Z8, Z80 und Z8000.

1981 Die Zilog-Gründer Faggin und Fernandez verlassen Zilog; Faggin widmet sich der Forschung mit neuronalen Netzwerken und Fernandez wird Marktforscher bei DataQuest.

1982 Digital Equipment Corp. (DEC) stellt ihren ersten PC vor, den Rainbow, der mit zwei Prozessoren bestückt ist: ein Z80 und ein Intel 8088. Obwohl dies so ziemlich der einzige PC war, der die CP/M- und DOS-Welt vereinigen wollte, konnte er sich nicht durchsetzen. Das lag aber nicht am Produkt, sondern an der Marketing-Abteilung von DEC, die mit den damaligen drei Produktserien (microVax, PDP-11 und Rainbow) überfordert war.

1985 Nachdem Zilog in vier Jahren drei weitere wenig erfolgreiche Manager verschlissen hat, übernimmt Edgar A. Sack das Ruder. Er erkennt sofort, wo bei Zilog der Wurm begraben ist und setzt mit Erfolg auf die Kompatibilität mit dem Z80.

1987 Der Z280 wird angekündigt: die 16-Bit-Version des Z80. Der Z280 ist aber voll kompatibel zum Z80, und das war sehr wichtig, denn jeder Ingenieur auf der Welt kennt den Z80-Assembler, weil er in seiner Ausbildung damit gearbeitet hat, dachte jedenfalls Sack. Die Rechnung ging auf: Zilog belieferte mit seinen Prozessoren Märkte wie Konsumelektronik, Computer-Peripherie, Modems, Fernseher, CD-Spieler etc. Die Branche meinte: Für den Preis eines Big-Mac bekommst du einen Z80!. Und wem der Z80 zu leistungsschwach war, der konnte ohne Probleme auf den Z280 umsteigen, ohne seine alten Proggies wegschmeißen zu müssen.

1989 Exxon will Zilog verkaufen, und die Mitarbeiter schlagen zu und kommen so zu ihrer eigenen Firma. Es hat sich für sie gelohnt, denn

1991 im Februar veröffentlicht Zilog Zahlen: im letzten Jahr konnten Prozessoren für über 100 Millionen Dollar verkauft werden. Auch heute ist der Z80 immer noch einer der Prozessoren, die sie am besten verkaufen. Tja, der Z80 wurde sogar von Hitachi lizenziert und nachgebaut  so gut ist anscheinend das Teil.

Wenn wir also wieder einmal von BähZeh-Fans angepöbelt werden, weil wir mit einem angeblich veralteten Prozessor arbeiten, dann brauchen wir uns wirklich nicht zu schämen. Eher im Gegenteil: Die Intel-Teile sind ja so kurzlebig geworden, daß sie nach bereits einem Jahr wieder vom Markt genommen und durch neue (und natürlich teuere!) Produkte ersetzt werden.

Was vielleicht nur wenigen bekannt ist, Zilog ist mit dem Z320 auch in der 32-Bit-Welt aktiv. Dieser Prozessor ist für mich ein ganz geniales Teil, wird aber heute in der Industrie meistens leider nur als hochintelligenter Mikrocontroller eingesetzt. Das macht auch Sinn, da er erstens wesentlich billiger als ein i386EX ist und dazu alle alten Z80-Befehle versteht, so daß alte Assemblerproggies immer noch laufen. Eine Art Super-Joyce mit diesem Z320, das wäre schon was...

DangSoft


Abgedruckt in Klubzeitung Nr. 43